Aus dem Sanella-Album Australien Neuseeland

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Seite 19

Vorsichtig nimmt Klaus das unruhige Tierchen in seine Hände. Es ist nur etwa 15 Zentimeter lang und sieht aus wie eine Maus. Auf dem Rücken hat es einen langen dunklen Streifen, der auch über den Kopf bis zu dem langen, spitzen Rüssel läuft. Mit der leimigen, schmalen Zunge kann der Honigbeutler - oder Rüsselbeutler, wie er auch heißt - tief in Blütenkelche hineinlangen, um Honig zu schlecken oder Insekten zu fangen. Die kleinen Tierchen leben auf Bäumen und Sträuchern und sind sehr, sehr selten. Onkel John gibt den dreien eine Wolldecke, die hinten im Wagen lag. Sie sind anscheinend sehr einverstanden mit dem Tausch, denn sie nicken und lachen und streichen immer wieder mit den Händen über das weiche Gewebe. Als wir weiterfahren, winken sie, solange wir sie sehen können. Am späten Nachmittag treffen wir auf der Station ein. Donnerwetter - ist das ein Leben! Es wimmelt von Schafen - dicken, wolligen, bei denen man kaum die Beine sieht, und dünnen, nackten, die etwas verdutzt herumlaufen. Es ist Schafschur - die Erntezeit der Schafzüchter! In einem Schuppen - abseits von den Wohngebäuden - werden die Schafe geschoren.

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Die Luft hier drin ist kaum zu ertragen, es ist heiß wie in einem Brutofen. Es stinkt nach dem Schweiß und Kot der Tiere, und das Blöken der Schafe und Klappern der Schermesser machen einen Höllenlärm. Die Schermesser werden elektrisch angetrieben. Trotzdem ist das Scheren keine leichte Arbeit, denn die Schafe stehen nicht ruhig, sondern versuchen immer wieder, nach vorn oder hinten auszubrechen. Da muß man sie schon ordentlich packen und zwischen die Knie klemmen, um sie zu halten. Schnell gleitet das Messer um den Körper des Tieres herum. Und dann steht auf einmal auf der einen Seite ein dünnes, "ausgezogenes" Schaf, und auf der anderen Seite liegt die in einem Stück zusammenhängende Wolle, das Vlies. In drei bis vier Minuten ist ein Schaf geschoren. Die Wolle wird sortiert, in Ballen gepreßt und möglichst schnell mit Lastwagen oder großen, hochrädrigen Karren, die von 20 Pferden gezogen werden, an die Küste gebracht. Denn Wolle ist kostbar, ein Wagen, hoch beladen mit Wollballen, kostet ein kleines Vermögen. "Aber ihr habt hier ja viel mehr Leute auf der Station, als wir in "Green Gate!" stelle ich verwundert fest, denn ich habe allein zehn Männer beim Scheren gezählt. "Nein", klärt mich Onkel John auf. "Die Scherer sind Spezialisten und kommen nur zur Schur hierher. Wenn sie bei uns fertig sind, gehen sie zur nächsten Station. Richtiger ist, sie fahren weiter, denn die meisten von ihnen haben eigene Autos. Und da nicht auf allen Stationen gleichzeitig geschoren wird, sondern die Schur sich auf das ganze Jahr verteilt, haben sie auch das ganze Jahr hindurch Arbeit." Spät am Abend kommen wir endlich ins Bett. Ich liege noch eine ganze Weile wach, weil die Opossums oben auf dem Dach lärmen, kleine Beutelratten, die es überall in Westaustralien gibt. Am Morgen reiten Klaus und ich nach Sunny Lake, einer kleinen Schafstation, die mit zu Onkel Johns Besitz gehört. Klaus' Vater, der schon vor einem Jahr nach Australien kam und jetzt seinen Jungen aus Deutschland nachkommen ließ, betreut Sunny Lake und seine 8000 Schafe.

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Als wir uns - nach Stunden scharfen Reitens - der Station nähern, kommt uns zuerst schwacher, dann immer stärkerer Brandgeruch entgegen. Wir treiben die Pferde an und jagen durch den trockenen Busch, so schnell wir können. Klaus ist blaß und sagt kein Wort. Schon manche Station ist bei großen Buschfeuern niedergebrannt.

Der Busch brennt

Gott sei Dank - da liegen die Häuser und Schuppen von Sunny Lake unversehrt vor uns! Aber wir treffen keinen Menschen, anscheinend sind sie alle draußen, um die Schafe in Sicherheit zu bringen. In mörderischem Ritt jagen wir den Rauchschwaden entgegen. Und da sehen wir auch schon die Feuerwand vor uns. Schafe kommen uns entgegen - erst einzelne Tiere, ängstlich blökend, und dann in dichten Scharen, rennend und sich gegenseitig stoßend. Dahinter - hin und her jagend - einige Reiter mit rauchgeschwärzten Gesichtern. Und plötzlich sehen wir auch Klaus' Vater und die anderen Männer.

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